Hindernisfreie Architektur ist für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Gesellschaft unerlässlich
Eine rollstuhlgängig gebaute Wohnung ermöglicht es Menschen im Alter länger im vertrauten Zuhause zu bleiben. Räume mit ausgewogenen Lichtverhältnissen und guter Sprachverständlichkeit nützen auch Menschen ohne Hör- oder Sehbehinderung. Der stufenlose Einstieg in Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs macht auch Eltern mit Kinderwagen mobiler. Kurz: «Gute Architektur ist Design für alle».
Am 5. September 2024 konnte Bruno Kurz mit drei Thesen unter Moderation der Architekturzeitschrift Hochparterre zum Thema des hindernisfrei-anpassbaren Wohnungsbaus als möglicher neuer Wohnbaustandard referieren. Warum hat das Konzept, dass schon seit über 30 Jahren existiert, in der Planungswelt seither keine Allgemeingültigkeit erlangt? Eine Antwort, die sich hierbei herauskristallisierte lautet: Das Konzept wird häufig auf die Norm der SIA 500 reduziert.
Die drei Thesen von Bruno Kurz:
1. Die Schweiz ist gebaut - Neubauaktivitäten können die Herausforderung nicht lösen
- Zum ersten Mal in der Geschichte leben 2007 weltweit mehr Menschen in städtischen Gebieten als auf dem Land.
- Die demografische Bevölkerungsentwicklung beflügelt das Wachstum (Alterspyramide wächst).
- Studien des Bundes zeigen auf, dass das Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahrzenten stark zunimmt und dementsprechend muss unsere Infrastruktur vorbereitet und angepasst werden.
- Ob die Schweiz nun zehn oder elf Millionen Einwohner verträgt, ist letztendlich eine Frage, wie die höhere Dichte organisiert wird.
- Neubauaktivitäten werden durch die Urbanisierung weiter gefördert, und eine Innenverdichtung ist zwingend notwendig.
- Swiss Finance & Property saniert jährlich zwischen 3–5% der Wohnungseinheiten
Die Wohnungsknappheit zwingt zur Innenverdichtung und besseren Nutzbarkeit der baurechtlichen Planungsinstrumente.
2. Regulation provoziert Zielkonflikte
- Umweltfreundlichkeit und Ressourcenschonung: Ersatz durch Neubau führt zu energieeffizienteren Strukturen, die Renovation und energetische Sanierung bestehender Gebäude ist in der Regel ressourcenschonender.
- Soziale Aspekte und Lebensqualität: Neubauten können moderne Standards hinsichtlich Barrierefreiheit, Komfort und Sicherheit besser erfüllen. Der Erhalt und die Renovierung helfen, die soziale Struktur eines Viertels zu bewahren.
- Wirtschaftlichkeit und Investitionskosten: Neubauten erfordern erhebliche Investitionen, bieten aber höhere Renditen durch modernere und effizientere Nutzungsmöglichkeiten. Die Renovierung bestehender Gebäude kann wirtschaftlich vorteilhafter sein, da die Kosten für Abriss und Neubau entfallen. Zudem sind Sanierungsprojekte oft schneller umsetzbar und verursachen weniger Störungen im städtischen Umfeld.
- Governance und regulatorische Anforderungen: Neubauten müssen aktuellen Bauvorschriften entsprechen und führen zu besseren Umwelt- und Sicherheitsstandards. Bestandsgebäude müssen aktuellen Normen angepasst werden. Zudem kann es komplexer sein, Finanzierungen und Genehmigungen für umfangreiche Sanierungsprojekte zu erhalten.
Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl die Vorteile der Sanierung als auch die Notwendigkeit von Neubauten berücksichtigt, kann ein Weg zu sein, um die ESG-Ziele im Bauwesen bestmöglich zu erreichen. Die Norm SIA 500 bietet dazu den gesetzlichen Rahmen.
3. Anreize mit fehlender Wirkung
Finanzielle Unterstützung:
- Subventionen und Förderprogramme: Verschiedene Kantone und Gemeinden bieten Förderprogramme und Subventionen für den barrierefreien Umbau und Neubau von Wohngebäuden. Diese Programme unterstützen oft sowohl private Eigentümer als auch Wohnbaugesellschaften.
- Steuerliche Abzüge: Kosten für Massnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit können unter bestimmten Bedingungen steuerlich abgesetzt werden. Dies gilt oft für den Einbau von Aufzügen, barrierefreien Badezimmern und anderen Anpassungen.
Gesetzliche Vorgaben:
- Baugesetzgebung / SIA Normen /Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)
Beratungs- und Informationsangebote
Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit
Finanzielle Unterstützung, steuerliche Abzüge und kommunikative Massnahmen zielen auf Privatpersonen ab und nicht auf institutionelle Investoren. Die gesetzlichen Vorgaben müssen aber von beiden Seiten eingehalten werden.
Weitere Informationen finden Sie auf: www.hindernisfreie-architektur.ch